DVL-Landesverband Sachsen e.V.

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Gleichberechtigt, freiwillig, gemeinsam für Natur- und Artenschutz

Das Prinzip der Drittelparität ist keine Erfindung des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL). Doch sein Gründer und langjähriger Vorsitzender, Josef Göppel, hat sie zur DNA aller, die sich seit über 30 Jahren darin engagieren, werden lassen. Auch im neuen Jahr wird seine Vorstellung von einem gleichberechtigten Zusammenwirken von Vertretern aus Naturschutz, Landwirtschaft und Kommunalpolitik die Arbeit des DVL-Landesverband Sachsen prägen.

Wir haben drei von Ihnen über dieses spezielle Miteinander und über ihre Pläne für 2025 befragt:

Christian Müller / Landwirtschaft:

ist Landwirt und verantwortet als Vorstand die Kaisaer Agrargenossenschaft in Neußen, einem Ortsteil von Belgern-Schildau im Landkreis Nordsachsen. Der Betrieb hat einen  „Betriebsplan Natur“ im Rahmen der Naturschutzberatung erstellen lassen, um Naturschutzpotenziale auf seinen Flächen besser zu identifizieren und nach Möglichkeit zielgerichteter in die Betriebsabläufe einzubinden. Christian Müller ist langjähriges Vorstandsmitglied des LPV Torgau-Oschatz. Landschaftspflege wurde ihm praktisch „in die Wiege gelegt“. Schließlich hat er schon als Kind mit seinem Großvater die „Schulwiese“, ein sehr wertvolles Biotop aus Borstgrasrasen, Nasswiese und Quellbereich sowie etliche andere Feuchtwiesen in der Dahlener Heide gepflegt. Die Verbindung zum Landschaftspflegeverband wurde also frühzeitig geknüpft.

Hellmut Naderer / Naturschutz:

war langjähriger Vorsitzender des NABU-Regionalverbandes Vogtland e. V. und Beisitzer im Vorstand des NABU Sachsen. Er sitzt als Vertreter des Naturschutzes im Fachbeirat des DVL-Landesverbandes. Sowohl als Mitarbeiter der Naturschutzbehörde als auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Regionalverbandes hat er sich sehr für die Ausweisung von Schutzgebieten im Grünen Band und die Erarbeitung und Umsetzung eines Pflege- und Entwicklungskonzeptes engagiert und so wesentlich zur Erhaltung des Grünen Bandes beigetragen. Er hat sich insbesondere als Experte in Sachen Fördermittel profiliert. Naderer ist von Haus aus Landwirt und damit auch dem Gedanken, Naturschutz mit der Landwirtschaft zu verbinden, vertraut.

Ines Liebald / Politik:

hat im vergangenen August zum dritten Mal das Vertrauen ausgesprochen bekommen, das höchste Amt ihrer Gemeinde, Neukirchen/Pleiße, bekleiden zu dürfen. Als Bürgermeisterin kennt sie nicht nur die Probleme und Herausforderung ihrer Gemeinde gut. Sie ist auch Vorstandsvorsitzende des LPV Westsachsen und hat maßgeblich am Neuaufbau des LPV und an der Sanierung seiner Wirkungsstätte, der Gräfenmühle in Neukirchen/Pleiße, mitgewirkt.


Josef Göppel ist 2022 gestorben. Herr Müller, Herr Naderer und Frau Liebald - haben Sie ihn persönlich kennengelernt? Falls nicht, was verbinden sie mit seiner Person?

Müller: Herrn Göppel kenne ich nicht, aber die Drittelparität wird bei uns im LPV Torgau-Oschatz in jeder Vorstandssitzung gelebt und ist fest in der Satzung verankert.

Naderer: Persönlich kannte ich ihn auch nicht. Josef Göppel war nicht nur engagiert in Sachen Naturschutz und der Pflege der Kulturlandschaft. Er war in seiner politischen Arbeit vor allem als ein Brückenbauer zwischen Naturschutz und Landwirtschaft aktiv und hat da nicht nur in Legislaturperioden gedacht.

Liebald: Er wurde aufgrund seines akribischen und über 40 Jahre andauernden Einsatzes auch als „Vater der Landschaftspflege“ bezeichnet. Ich habe ihn leider persönlich nicht mehr kennengelernt.

Josef Göppel, häufig als „grünes Gewissen der Union“ tituliert, hatte immer den Mut, wenn er von seiner Sache überzeugt war, auch gegen die Meinung seiner Fraktion, der CSU, zu stimmen. Das, so haben viele es empfunden, ist nicht nur gelebte Demokratie, sondern auch Ausdruck seiner lebenslangen Haltung, den Mut nicht zu verlieren. Dran zu bleiben. Nicht aufzugeben.

Frau Liebald, wie kommen Sie als Politikerin Ihrer Partei, der CDU, und Ihrem politischen Amt als Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde in Westsachsen dahin, dass Sie in Sachen Natur- und Artenschutz zu einer übereinstimmenden Position kommen?

Liebald: Man muss ja sagen, Natur- und Artenschutz, sollte jeden, unabhängig von Beruf oder politischen Ämtern und Gesinnung, interessieren. Das Politische ist für mich keine Schranke. Ich selbst liebe die Natur und lebe sehr gern hier in unserem ländlichen Raum. Es ist einfach schön, von Feldern und Wäldern umgeben zu sein. Dass wir uns um den Erhalt unserer Natur bemühen ist, so meine ich, jetzt vielen Menschen auch viel bewusster geworden als vor einigen Jahren. Für mich ist das Aufgabe eines jeden, der auf dieser Erde lebt, den Natur- und Artenschutz im Blick zu haben.

Aus ihrer Erfahrung können Sie also von einem Bewusstseinswandel berichten? Der Klimawandel ist bei allen angekommen?

Liebald: Ja, auf jeden Fall. Sicherlich noch nicht beim letzten, aber gerade die jungen Leute schauen mit einem anderen Blick darauf.

Herr Müller, Sie sind Landwirt und stehen der Kaisaer Agrargenossenschaft in Belgern-Schildau vor. Das ist ein großer landwirtschaftlicher Betrieb, dessen ökonomische Ziele sicher öfter mit den ökologischen Notwendigkeiten kollidieren. Wie nutzen Sie Ihre Mitbestimmung? Wo sehen Sie Grenzen?

Müller: Unsere Nutzfläche beträgt ungefähr 1500 Hektar mit einigen Mitgliedern, die Anteile haben und Mitspracherecht in den Versammlungen. Als Großbetrieb würde ich uns nicht bezeichnen - auch, weil wir mit unserer strukturreichen Region sehr heterogene Bedingungen haben. Es gibt viele Waldstücke, zwischendrin viele natürliche Kanten, die die Agrarlandschaft auch nicht so aufgeräumt aussehen lassen. Als Betriebsleiter versuche ich schon die Möglichkeiten, die durch die Förderung gegeben sind, und für mich auch eine Herzensangelegenheit, umzusetzen. Es ist aber ganz klar die Grenze gesetzt, wenn der Betrieb keine schwarze Zahl schreibt, dann brauche ich über ökologische Maßnahmen nicht weiter nachzudenken.

Die schwarze Zahl zählt am Ende?

Müller: Muss! Denn wenn wir Zahlungen nicht aufrechterhalten können, wandern die Pächter ab. Und dann haben wir keinen Zugriff mehr auf die Fläche und können sie auch ökologisch nicht mehr aufwerten oder anderweitig nutzen. Insofern ist es immer ein Spagat zwischen dem, was man machen möchte und was man machen kann. Das gilt es immer wieder neu zu evaluieren.

Von der Mitbestimmung her bin ich als Vorstand für alles, was im Betrieb passiert in der Hauptverantwortung und kann da auch relativ viel entscheiden. Wenn es aber um Flächen der Kommune geht, oder an die wir angrenzen, oder wo wir gemeinschaftlich ein Biotop haben, weil die Flurgrenze da quer durch geht, versuchen wir schon im Gespräch eine gemeinsame Lösung zu finden. Nicht immer, aber meistens kriegen wir das auch hin.

Welchen Vorteil bzw. welche Chance sehen Sie für sich und Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Landwirtschaftsunternehmen, ob groß oder klein, wenn Sie mit dem hiesigen Landschaftspflegeverband zusammenzuarbeiten?

Müller: Der größte Vorteil besteht in dem enormen Wissen, das der LPV mitbringt. Die Mitarbeiter im LPV sind ja alle Fachleute im Thema Ökologie, die auch außen in die Beratung der Landwirtschaftsbetriebe gehen. Viele Betriebe brauchen erst mal den Anstoß, um überhaupt zu sehen, hey, da könnte ich zum Beispiel bei der Wiese eine Spätnutzung machen, weil das ökologisch sinnvoll ist - und kriege dann noch den Ausgleich über die Förderung vom Land Sachsen. Bei manchen Betrieben läuft das ganz automatisch, aber es gibt auch Betriebe, die brauchen einen ersten Anstoß. Wenn ich, um ein anderes Beispiel zu nennen, eine Baumreihe am Ackerrand pflanzen möchte, erhalte ich vom LPV das Know-how und weiß, da ist auch jemand, der für die nächsten Jahre die Pflege organisiert. Die praktische Arbeit kann ja dann auch wieder über den Betrieb selber passieren. Aber es muss jemand dabei sein, der auch draufschaut und erinnert: Denkt dran, ihr müsst die Bäume gießen, wenn es im Sommer zu trocken ist. Wenn ein Landwirtschaftsbetrieb so etwas nebenbei macht, dann ist so eine Erinnerung nicht verkehrt.

Herr Naderer, Ihnen ist es in ihrer Doppelfunktion als Behörden-Naturschützer und als Vorsitzender des NABU-Regionalverbandes Vogtland e. V., schon gelungen, wesentlich zum Erhalt des Grünen Bandes beizutragen. War das Modell einer Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Kommunalpolitik und Naturschutz auch bei diesem Projekt hilfreich?

Naderer: Das Grüne Band ist ein strukturreicher Biotopverbund vom Dreiländereck Sachsen, Bayern, Böhmen bis an die Ostsee und ist inzwischen eingebettet in das europäische Grüne Band, das sich vom Nordmeer bis zum Mittelmeer entlang des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ bewegt und da quer durch Europa ein Biotopverbundsystem schafft. Die Arbeit im und für das Grüne Band war ohne die Landwirte und die Kommunalpolitik nicht möglich. Am Anfang war es schwierig, das Verständnis für unser Engagement vor dem Hintergrund politischer Sachverhalte zu erwirken.

Was waren dabei ihre größten Herausforderungen?

Naderer: Ein Problem war, dass Naturschutz immer als grün, also als ein Parteiprojekt der Grünen wahrgenommen wurde und teils auch noch wird. Wobei das mit Parteipolitik gar nichts zu tun hat. Nicht nur Landwirte auch Kommunalpolitiker haben das aber oft gleichgesetzt. Da mussten wir manchmal gegen Windmühlen kämpfen. Ein weiteres großes Problem stellte sich insbesondere dort, wo es konkrete Nutzungsansprüche für Flächen gab. Auch hier waren erhebliche Widerstände zu überwinden. Am Anfang vor allem auch, als es darum ging, die Bundespolitik ins Boot zu holen. Die hat sich zuerst zurückgelehnt mit dem Argument, der Naturschutz sei Länderhoheit. Erst unter dem damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin setzte ein Wandel ein, sodass die im sächsischen Teil des Grünen Bandes gelegenen Flächen bis 2010 an den Landkreis übergeben werden konnten. Letztlich war es dem zähen Ringen der Naturschützer zu verdanken, dass das Grüne Band langfristig gesichert werden konnte. Jetzt, nach vielen 1000 Schritten, sind wir soweit: Da geht keiner mehr ran.
Im Laufe der Jahre, vor allem im Zusammenhang mit dem Flurbereinigungsverfahren auf dem Gebiet der Gemeinde Triebel und der geordneten Umsetzung des Pflegekonzeptes hat sich die Akzeptanz in meinem Gebiet jedenfalls deutlich verbessert.

Frau Liebald, welche Synergien ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit dem Landschaftspflegeverband für Ihre Gemeinde? Was hat Sie damals bewogen auch den Vorsitz des LPV zu übernehmen?

Liebald: Wenn man als Bürgermeisterin kandidiert, macht man das ja nicht aus einer Laune heraus, sondern auch um seinen Heimatort zu entwickeln, ihn liebens- und lebenswert zu gestalten, damit sich die Bürgerinnen und Bürger jeden Alters wohl fühlen und hier auch gern wohnen und im Ort wohnen bleiben. Dazu gehört, eine ausgeprägte Infrastruktur vorzuhalten. Den Landschaftspflegeverband gibt es bereits seit 1992 hier am Ort. Als ich 2010 Bürgermeisterin wurde, war die Gemeinde Neukirchen schon Mitglied im LPV, und ich habe an Sitzungen und Veranstaltungen teilgenommen. Der Wunsch und das Gefühl, dass der Verband aktiver und nach außen wirksamer werden muss, waren mir wichtig. Und schließlich, was mich besonders interessiert hat, war das Areal der Gräfenmühle, welches im Zentrum unseres Ortes liegt und von Verfall geprägt war.

Dort ist es ihnen am Ende gelungen, das Areal zu sanieren und zudem auch, eine Naturschutzstation einzurichten.

Liebald: Ja, ich habe mich bei den Vorstandswahlen des LPV beworben, bin gewählt worden und es wurde 2013 Dank des DVL eine Halbtagsstelle für einen Mitarbeiter des DVL mit Sitz in der Gräfenmühle geschaffen. Mit ihm, mit René Albani, der teils beim LPV und teils beim Dachverband beschäftigt ist, haben wir dann Projekt für Projekt den Standort mit weiteren Mitarbeitern ausbauen können. Seit 2018 sind wir nach einem Auswahlverfahren mit dem Sitz in der Gräfenmühle auch als Träger einer Naturschutzstation im Landkreis Zwickau bestätigt worden. Das ist wirklich ein großer Erfolg und sicherlich auch dem geschuldet, dass die Vernetzung einfach ganz toll funktioniert hat – die Vernetzung zwischen DVL, LPV, dem Landkreis und dabei insbesondere mit der Unteren Naturschutzbehörde. Das war ein Glücksfall und gibt uns die Möglichkeit, im ganzen Landkreis mit Projekten aktiv zu sein.

Und auch ein Paradebeispiel für funktionierende Drittelparität. Herr Müller, wie ist bei Ihnen: Sie sind langjähriges Vorstandsmitglied im LPV Torgau-Oschatz. Wie tragen Sie den Gedanken abgestimmter Naturschutzprojekte in der Kulturlandschaft an Ihre „Amtskollegen“ weiter? Gibt es da viel Diskussion und Gegenwind oder wird diese Zusammenarbeit dreier Interessensgruppen als künftig zukunftsfähig und nachhaltig angesehen? Wie ist die Stimmung momentan?

Müller: Die Stimmung kann ich nicht so richtig beurteilen. Ich glaube, dass die meisten die Drittelparität nicht so richtig wahrnehmen. Alle nehmen den LPV als solches wahr, dass er ein großes Netzwerk hat, fachlich fundiert arbeitet. Wo das herkommt, ist denen im Regelfall egal. In allen Fraktionen gibt es wie überall solche und solche, sprich positiven Zuspruch wie auch Gegenwind.

Herr Naderer, der DVL und die LPV bezeichnen sich selbst als Erfolgsmodell für die Bewahrung der biologischen Vielfalt und der natürlichen Lebensgrundlagen für Mensch, Tier und Pflanze. Wo sehen Sie als langjähriges Mitglied in einem anerkannten Naturschutzverband die Stärken aber ggf. auch Grenzen des DVL/LPV- Modells?

Naderer: Zu den Stärken gehört die Pflege aufgelassener, naturschutzfachlich wertvoller Flächen nach der Wende. Die Schaffung von Verbindungen wie auch eine verbesserte Akzeptanz zwischen Naturschutz, Kommunen und Landwirten gehört zu den Stärken. Auch, dass wir zunehmend Partner des Freistaates für die Umsetzung von Naturschutzaufgaben des Staates geworden sind, gehört zu den Stärken.  

Schwächen: Durch die Rahmenbedingungen ist der LPV zunehmend nicht mehr Vermittler zwischen Flächeneigentümern und potentiellen Bewirtschaftern. In meiner Region zumindest sind eigene Pflegekapazitäten aufgebaut worden. Eine Schwäche sehe ich auch in der Abhängigkeit von der Politik durch die „Anbindung“ an den Staat.

Herr Müller: Wo und von wem könnten Sie sich mehr Unterstützung in Ihrem „ersten Leben“ als Landwirt und im zweiten „Herzensprojekt“ der Mitwirkung im regionalen LPV bzw. dem DVL-Landesverband Sachsen vorstellen?

Müller: Als Landwirtschaftsbetrieb wünschen wir uns nicht mehr Mitbestimmung. Wir wünschen uns, und man kann das Wort schon fast nicht mehr hören, Bürokratieabbau! Zuletzt sind wir mit immer mehr Bürokratie zugeschüttet worden. Wir haben mittlerweile eine Doppelung von Gesetzen, wo wir gar nicht mehr wissen, woran wir uns halten müssen. Was ist jetzt richtig, das Fachrecht, das Agrarrecht, das von der EU als Förderung kommt? Die sind teilweise total kontrovers und wir als Landwirtschaftsbetriebe haben dort Probleme, den Überblick zu bewahren.

Beim LPV, und das muss ich auch ganz klar sagen, nervt mich in den fünf Jahren, die ich jetzt dabei bin, dass wir uns die meiste Zeit mit der Finanzsituation beschäftigen müssen. Statt mit den eigentlichen fachlichen Aufgaben im Projekt, sind wir ständig in Personal- und Finanzangelegenheiten unterwegs. Der Landkreis baut einerseits darauf, dass wir die Aufgaben des Naturschutzes umsetzen. Nichtsdestotrotz müssen die Landschaftspflegeverbände sich von Projekt zu Projekt finanzieren. Uns fehlt einfach eine vernünftige finanzielle Grundausstattung. Wir müssen ständig bangen, dass uns fähige Mitarbeiter wegbrechen und dass wir bei der Umsetzung großer langjähriger Projekte keine finanzielle Kontinuität haben.

Naderer: Ja, ich kann Herrn Müllers Ärger sehr gut verstehen. Es ist leider so, dass wir Antragsteller von Fördermitteln immer erst einmal verdächtigt werden, uns unrechtmäßig Fördermittel einzuholen, während man in der Wirtschaft, hier bei VW in Zwickau beispielsweise, großzügiger handelt. Dabei widmen wir die Förderung nicht wie VW in privaten Gewinn um, sondern in Gemeinwohl. Wir helfen schließlich den Umweltschutz, den der Freistaat zum Verfassungsziel hat, umzusetzen.

Und wo, Herr Naderer und von wem könnten Sie sich mehr Unterstützung in Ihrem „ersten Leben“ als Naturschützer und im zweiten „Herzensprojekt“ der Mitwirkung im regionalen LPV bzw. dem DVL-Landesverband Sachsen vorstellen?

Naderer: Die Zusammenarbeit auf Landesebene (NABU Sachsen – DVL Sachsen) ist insbesondere mit Christina Kretzschmar sehr intensiv und im Rahmen der Möglichkeiten erfolgreich. So konnten wir in der Naturschutzförderung immerhin schon etwas Bürokratieaufwand reduzieren. Als Naturschützer habe ich also wie Herr Müller auch den Wunsch, und kämpfe schon sehr lange dafür, dass Förderprogramme dem Naturschutz angepasst werden und nicht umgekehrt.
Was meine Mitwirkung im regionalen LPV angeht, so habe ich seit seiner Gründung versucht, seine Arbeit auf das LPV gesamte Kreisgebiet auszudehnen – ohne Erfolg. Er hat seinen Arbeitsschwerpunkt nach wie vor im oberen Vogtland. Große Teile des Kreises liegen dadurch „brach“. So muss z. B. die Betriebsberatung im Kreis von weit entfernten LPV übernommen werden.

Frau Liebald: Wo und von wem könnten Sie sich mehr Unterstützung in Ihrem „ersten Leben“ als Bürgermeisterin und im zweiten „Herzensprojekt“ der Mitwirkung im regionalen LPV bzw. dem DVL-Landesverband Sachsen vorstellen?

Liebald: Ich denke, es ist immer wichtig im Gespräch zu bleiben, im Gespräch auf der politischen Ebene mit den Bundestags- und den Landtagsabgeordneten, hinsichtlich der Bereitstellung von finanziellen Mitteln, sowie mit dem Landkreis. Wir sind auf Förderungen angewiesen und dabei ist es wichtig, dass der Natur- und Artenschutz stetig auf der Agenda bleibt und trotz angespannter finanzieller Situation nicht vergessen wird. Was sich in den letzten Jahren positiv entwickelt hat, sollte Beachtung finden und sich nicht zurück entwickeln.

Haben Sie da Befürchtungen?

Liebald: Nein, eigentlich nicht. Dadurch, dass die Naturschutzstationen wie die Landschaftspflegeverbände jetzt auch im Koalitionsvertrag Sachsen als sicherungsbedürftig benannt worden sind, gibt es auch eine Verpflichtung, sie zu unterstützen. Ich hoffe sehr, dass dies Berücksichtigung findet. Wenn man den Mehrwert durch unsere umgesetzten und laufenden Projekte betrachtet, dann sehen wir die Erfolge und genau diese sind wichtig im Gespräch mit den Geldgebern, Behörden und Verbänden.

Um Natur- und Artenschutz aktiv umzusetzen braucht es beides: Kompromisslosigkeit und die Bereitschaft Brücken zu bauen. Wie sieht das bei Ihnen persönlich aus? Wo sehen Sie Ihre Stärken/Schwächen?

Müller: Ich glaube zwar nicht an Astronomie, aber ich bin im Sternzeichen Waage.

Liebald: Kompromisslosigkeit strebe ich persönlich nicht an. Ich bin schon immer bereit, im Gespräch und mit Nachdruck zu versuchen, dass man sich maßvoll an Zielen orientiert, um zu Ergebnissen zu kommen. Durch meine lange Tätigkeit als Bürgermeisterin bin ich gut vernetzt und in verschiedenen Gremien aktiv, wo ich den Natur- und Artenschutz auch immer wieder mit auf die Tagesordnung nehme, um Akzeptanz zu erreichen.

Naderer: Wir als NABU, und da spreche ich für den Landesverband, den Regionalverband und auch für mich persönlich, sind zu Kompromissen bereit. Sie sollten uns aber nicht zu Ungunsten der Natur aufgedrängt werden. Bei manchen Planungen stehen wir aber konsequent konträr und scheuen auch den Weg zum Gericht nicht, bzw. „kämpfen“ für z. B. eine notwendige Schutzgebietsausweisung.

Zuletzt: Welche Herausforderungen sehen Sie 2025 mit Blick auf die Projekte im Natur- und Artenschutz und in der Landschaftspflege und für die Verbände? Sind Sie immer hoffnungsvoll oder gibt es auch Momente, wo Sie am liebsten aufgeben würden? Was ist Ihre Motivation „weiter zu machen“ (und die regionalen LPV und den DVL-Landesverband Sachsen auch künftig in ihren Zielen zu unterstützen)?

Müller: Die Motivation weiterzumachen ist, dass wir in einer Kulturlandschaft leben, die man erhalten soll, und da braucht es jemanden, der das organisiert und das geht nur über diese Drittelparität, nämlich das Zusammenbringen von den Kommunen, den unteren Naturschutzbehörden und den Naturschutzverbänden, alles zusammen und den Leuten, die die Flächen bewirtschaften und teilweise auch Eigentümer sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier immer über das Eigentum reden, was dann auch verändert werden soll und das bedarf einer Überzeugung der Eigentümer. Dafür ist der LPV prädestiniert, das können die. Und dann sind wir im LPV auch ein super Team. Auch wenn wir die finanziellen Probleme gerade gar nicht haben möchten, - es gibt halt auch die schönen Sachen, wo man sagt, die Landschaft, in der wir leben ist prima und dafür lohnt es sich doch weiter zu machen.

Liebald: Aufgeben geht nicht. Wir haben hier im LPV so ein tolles Team mit so vielen jungen engagierten Menschen, die wirklich für die Thematik Natur- und Umweltschutz brennen und es ist einfach eine Freude, mit ihnen zu arbeiten, gemeinsam Projekte zu entwickeln und diese zu begleiten. Dabei bin ich ja als Vereinsvorsitzende auch auf deren Fachwissen angewiesen. Aber auch die Zusammenarbeit mit dem DVL, insbesondere mit Christina Kretzschmar, sowie weiteren Naturschutzverbänden und -vereinen ist wichtig und notwendig. Das gute Miteinander sollte weiter gepflegt werden.  Große Projekte laufen z. B. in diesem Jahr zum Thema Insektenschutz und „Neue Naturwächter im Landkreis Zwickau“. Beides sind Projekte, die über mehrere Jahre laufen, bei welchen wir besonders auch Kinder und Jugendliche an das Thema Umwelt, Natur- und Artenschutz heranführen möchten. Ohne Förderung ist eine Umsetzung nicht möglich, diese ist das A und O.

Naderer: Unter den derzeit herrschenden politischen Rahmenbedingungen sehe ich für den Naturschutz ein noch schwierigeres Agieren. Die teils doch noch fehlende Akzeptanz unserer Probleme, sei es der Klimawandel, das Schwinden der Biodiversität und der enorme Flächenverbrauch, all das, wie auch die aktuelle Gemeinsame Agrarpolitik und die ab 2027 in der Förderung wirksam werden wird, werden den Schutz der Natur weiter einschränken. Die Resignation bei den Naturschützern wird spürbar größer. Trotzdem ist es wichtig, die verbliebenen Möglichkeiten noch intensiver zu nutzen als bisher. Aufgeben ist keine Option!

Vielen Dank Ihnen allen und für das neue Jahr viel Energie, Wohlwollen und Glück beim Umsetzen Ihrer Vorhaben.

Danke, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch genommen haben!

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